[su_quote]Achtung! Artikel mit folgenden Inhaltsstoffen: 35 % Ärger, 30 % Verletzter Stolz, 15 % Besserwisserei, 20 % Sachlichkeit. Konsum auf eigene Gefahr![/su_quote]
Ich bin kein Rezensent. Zu Recht und zum Glück. Mir fällt es unglaublich schwer, wenigstens halbwegs faire Bewertungen zu schreiben, die weder tendenziös noch allzu subjektiv sind. Bei guten Produkten geht das ja alles noch, aber was, wenn das Buch, der Mixer oder das Weltklima einfach Mist sind? Irgendjemand wird sich auf den Schlips getreten fühlen, sich vielleicht in den Schlaf weinen. Deswegen halte ich meistens die Klappe. Ich könnte mich ja auch irren.
Natürlich habe ich eine eigene Meinung, vor allem wenn ich für etwas Geld ausgegeben und/oder in etwas Hoffnungen gesteckt habe. Gerade im Rollenspielbereich, diesem winzigen Abenteuerspielplatz läuft in Sachen Kritik meines Ermessens nach vieles schief: Die großen Kinder versuchen einander von der obersten Sprosse des Klettergerüsts zu schubsen, im Sandkasten wird sich um das schönste Förmchen gestritten und auf der Parkbank schreien sich die Eltern an, weil das eigene Kind ja viel klüger und hübscher ist und auf gar keinen Fall zuerst mit der Hundekacke geschmissen hat.
Ich bin ein Jammerlappen
Für mich sind die ersten Tage nach Erscheinen eines Buches, an dem ich beteiligt bin, wie das Warten auf den Weihnachtsmann und den Gerichtsvollzieher zusammen. Ich Idiot lese alle Rezensionen, die ich finden kann und verfolge die Diskussionen in den einschlägigen Foren. Vor allem Grüne Hölle hat es da in sich, weil Uthuria so ein sensibles Thema ist. Für Der Gott der Xo’Artal läuft die erste Rezeptionswelle noch. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich so manches Mal mit heißem Kopf vor dem Bildschirm saß und am liebsten in die Tastatur oder noch besser: in den Kommentator gebissen hätte.
Es soll Autoren geben, die alles lesen, was zu ihren Büchern geschrieben wird und den Verstand behalten. Das halte ich für eine urbane Legende. Autoren, die gar keine oder sehr wenige Rezensionn lesen, leben weitaus gesünder. Das ist bei der teilweise praktizierten Kritikkultur durchaus legitim und verständlich. Selbstschutz würde ich sagen. Allerdings gehen dadurch auch gute und sinnvolle Verbesserungsvorschläge verloren. Das gelegentliche Lob sowieso.
The good, the bad and the ugly
Sicher, bei den eigenen Texten/Bildern/Strickpullovern ist niemand objektiv und unvoreingenommen, aber selbst das dickste Fell kriegt Motten, wenn der eine oder andere Forenuser der Meinung ist, Autoren seien seelenlosen Schreibmaschinen, die man mit dem Wind anpissen kann, weil ja eh alles abperlt. Es gibt viele gute Rezensenten und kluge Köpfe in der Rollenspielszene. Da muss man einfach nur RSP-Blogs durchstöbern. Und auch viele Forenuser pflegen einen anständigen Ton, selbst wenn Kritik vorgetragen wird. Der Kunde ist König, hat ein Recht auf seine Meinung und darauf, dass er sein Geld nicht zum Fenster rauswirft. Und gerade im Rollenspielbereich ist die Einflussnahme der Fans ungemein wichtig, wenn nicht sogar einzigartig entscheidend.
Grundlose Grütze
Konstruktive Kritik (im Wortsinn zunächst weder positiv noch negativ) kann in vielen Formen geäußert werden, aber „Finde ich scheiße!“ ist keine Kritik und schon gar nicht konstruktiv. Das ist ein Stimmungsimpuls, mit dem niemand anderes etwas anfangen als das Ego des Schreibers. Das hat den gleichen Wert, wie vor Ärger gegen eine Wand zu kloppen. Nur mit dem Unterschied, dass den meisten Leuten dafür der Mumm fehlt oder die eigene Tapete zu schade ist. Klar ist es jedermanns gutes Recht im „Gefällt mir/gefällt mir nicht“-Stil zu urteilen, aber während unbegründete positive Kritik noch sinnvoll ist, weil der Adressat dann weiß, dass er alles oder zumindest vieles richtig gemacht hat, ist unbegründete negative Kritik wertlos und zuweilen verletzend. Der Adressat hat keine Chance aus seinen Fehlern zu lernen, zerbricht sich den Kopf darüber, was er alles falsch gemacht hat oder gibt im schlimmsten Fall sogar auf. „Finde ich scheiße, weil…!“ ist da schon eine andere Hausnummer, wenn auch die Belege und Beispiele taugen müssen.
Kretze für die Ewigkeit
Noch ärgerlicher sind eigentlich nur Abstimmungen, da man hier noch nicht mal „Finde ich scheiße!“ schreiben muss. Ddeshalb habe ich bislang die Bewertungsthreads imDSA4-Forum eher vernachlässigt, obwohl ich im Forum seit einigen Jahren mitlese und mich eigentlich immer gut aufgehoben fühlte. Jetzt aber, in Zeiten von Uthuria, ist das anders. Während sich Vinsalt beispielsweise erst gar nicht mit Uthuria beschäftigt, haben hier alle drei Grüne Hölle-Bände (I, II, III) sowie die Kampagne einen Bewertungsthread bekommen. Ich behaupte einfach mal, dass ein paar Stimmen abgegeben worden sind, ohne dass diejenigen den jeweiligen Band wirklich gelesen, geschweigen denn gespielt haben. Sollte dem so sein, wäre zutiefst respektlos. Was manche Experten dort zudem vom Stapel lassen geht auf keine Zweikopfhaut, wobei der pseudo-moralisierende Vorwurf des „widerlichen Inhalts“ (in Bezug auf die Blutopfertradition der Xo’Artal) bisher den Tiefpunkt darstellt.
Wir sitzen alle in einem Suppenlöffel
Dass mich niemand falsch versteht, ich will keine gleichgeschalteten Lobeshymnen, wenn einem zum Heulen zumute ist. Alles, was ich will ist, dass man miteinander respektvoll umgeht und konstruktive Diskussionen führt. Scheiße nochmal, wir sind so wenige, da wird das doch wohl möglich sein. Beim gediegenen Altersschnitt der Szene ja wohl eh. Kritik ist entweder das Salz oder das Haar in jener Suppe, die wir alle auslöffeln müssen, wenn uns etwas am Hobby liegt. Verlage und Community, Autoren und Rezensenten sitzen alle am gleich Tellerrand. Hut ab vor all den Leuten, die sich die Zeit nehmen und sich in ihrer Freizeit darum zu bemühen, dass ihr Lieblingsrollenspiel besser wird, und nicht nur wie greise Grantler tagaus, tagein am offenen Fenster lehnen und Falschparker aufschreiben.
Unkonstruktive Grüße,
Tobi
PS: Ach, verdammt! Ja, ich will das Uthuria allen gefällt. Dann eben das nächste Mal mir mehr Ponys (Dank an Dominic Hladek für den Tipp).
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